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Februar 2022

HAP Grieshaber "Rote Blüte (Stifterbild)", 1958

In diesem Monat vor 113 Jahren ist HAP Grieshaber geboren, man muß es sich bewusst machen, wie lange das her ist und vor 42 Jahren ist er gestorben, das sind auch schon 1 ½ Generationen. So schnell unsere Lebenszeit abläuft, so aktuell erscheint uns noch heute seine Kunst. Eine eigentlich archaische Technik wird im 20. Jahrhundert durch die Expressionisten wieder entdeckt und nach der Katastrophe des 2. Weltkriegs anachronistisch von einer beharrlichen Gruppe von Holzschneidern weitergepflegt. Bei HAP Grieshaber streiten sich verschiedene Geister in ihm und ihm gegenüber. Er will politisch, gesellschaftlich wirken, er will aber gleichzeitig die Reinheit der Kunst als „zweckfrei“ verteidigen. Er ist Lyriker und Dramatiker, er ist Freigeist und Traditionalist. Die Kunstfreunde sind ihm begeistert zugetan oder lehnen ihn ab, seine Werke hingen im Bundeskanzleramt und in den Wohngemeinschaften der aufständischen Studenten.

Nichts davon spürt man in diesem Holzschnitt, der Grieshabers erste Huldigung an Albrecht Dürer ist – auch wenn er es nicht absichtlich betont. Der Titel „Stifterbild“ hat auch mit dem Inhalt nichts zu tun. Grieshaber hat mit diesem Blatt seine Gönner beschenkt, die ihm die Publikation eines ersten Werkverzeichnisses ermöglichten.

Wir sehen: Dürer’s „Melancholie“ und Walther von der Vogelweides „Drei Dinge“ (Ich saz ûf eime Steine…) in unsere Zeit versetzt. Den Kopf in die Hand gestützt sitzt eine Figur, die ihre innere Schwermut in die Außenwelt transportiert, ausgelöst durch Isolation, Fehlen menschlicher Gemeinschaft, Perspektivelosigkeit. Heute könnte das Blatt auch „Pandemie“ heißen. Aber wie immer bei Grieshaber leuchtet Hoffnung auf: hinter der Figur steht die Sonne und die Blüte, vereint als zwei Ovale. Beide leuchten in die Figur und verändern sie zum Positiven, zu einer Perspektive aus der momentanen Haltung heraus (deshalb spiegeln sich beide Ovale im der unteren Bildhäfte in hellgrün frühlingshaften Farben). Es ist ein Meisterwerk, eines meiner Lieblingsbilder des Grafikers, dazu noch opulent in sieben Farben gedruckt, die handwerkliche Meisterschaft dazuhin zeigend.