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Februar 2021

Karl-Heinz Hansen-Bahia, Mädchen am Fenster 1958

1955 siedelte Karl-Heinz Hansen nach Salvador da Bahia de todos os Santos („Erlöser der Bucht aller Heiligen“) über. Das 1549 gegründete Bahia ist die afrikanischste Stadt Brasiliens: Sie war der Haupthafen für den portugiesischen Sklavenhandel mit Menschen aus Afrika. Die in Bahia lebenden Menschen bilden ein großes Völkergemisch: Portugiesen, Afrikaner, Indianer und Menschen aus dem Vorderen Orient wie Syrer und Libanesen trugen dazu bei. Die Portugiesen haben nie eine Apartheid betrieben, und so finden sich hier Menschen aller Hautschattierungen. Die afrikanischen Sklaven wurden summarisch getauft, ohne in der christlichen Religion unterwiesen zu werden. Hansen-Bahia, den Beinamen verlieh ihm der berühmte brasilianische Romancier Jorge Amado, hat sich seit diesen Tagen ins seiner Kunst gewandelt: sie ist weniger sozialkritisch als den Menschen in ihrer Armut und ihrem Ausgeliefert-Sein zugewandt. Eine Hure ist nichts verwerfliches, sie ist auch ein Opfer unseres Reichtums. Und Hansen-Bahia hat sich hymnisch mit diesen Menschen beschäftigt, seine Holzschnitte haben den Zauber der Tropen und die Konfrontation mit der naiven Kunst dieser Welt, ein spätes Gaugin-Erlebnis.

Das „Mädchen am Fenster“ ist wohl eines seiner berühmtesten Formulierungen aus dieser Zeit in den Gassen der Hafenspelunken um  „Flor de S. Miguel“. Voller Anmut, auch Stolz stellt Hansen-Bahia seine Königinnen der Halbwelt dar. Seine Kunst ist im besten Sinne sozial, sie bildet die Menschheit in ihren Höhen und Abgründen ab, ohne anzuklagen oder auszugrenzen.