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April 2021

Wilhelm Laage, Abendschatten (Blick auf die Schwäbische Alb) um 1910

2018, zum 150. Geburtstag Wilhelm Laages titelte die WELTKUNST: Seine Zeit wird kommen. Und der Tübinger Kunsthistoriker Wilhelm Boeck schrieb schon 1969:„Unbestreitbar ist, daß Laage in manchen Fällen dem Gang der Kunstgeschichte um Jahre vorausgegriffen hat.“
Umso mehr ist ein Rätsel, warum es still um diesen großartigen Maler und Grafiker geworden ist. Möglicherweise sind seine Bilder, die den Expressionismus ganz eigenständig interpretieren und seine Grafiken, die mit Edvard Munch in einem Atemzug genannt werden können, zu wenig spektakulär.

Spektakulär ist aber dieses Monatsbild „Abendschatten“, das um 1910 entstand. Eine van-Gogh-Sonne überstrahlt die Albtrauf, in einer Kaskade von Grüntönen entsteht eines der eindrücklichsten Interpretationen dieser schwäbischen Landschaftsformation. In der Rückschau und im Vergleich zu den Zeitgenossen wird deutlich, daß hier der Frühexpressionismus eine ganz eigenartige, individuelle Prägung erfahren hat. Die Binnenfarben werden nicht entfremdend gesetzt, aber durch die Schattenbetonung unwirklich und real zugleich. Der gestische Malakt wird durch eine rhythmische Gliederung des Vordergrundes gebändigt, eine dramatische Landschaft entfaltet sich vor dem Auge des Betrachters. Das Auge des Malers ist die Sicht des Norddeutschen, der Gebirge nicht kennt und der diesen überwältigenden Landschaftseindruck zu einer Innenschau, ja Innenwelt werden lässt, der unsere Augen neu fokussiert.